COVID-19 und das Schulsystem

Frust, Euphorie, Kritik und Lob! Alles scheint sich in Zeiten von COVID-19 zu vereinigen. So muss sich Schule auf Krisen vorbereiten

Zunächst gilt allen Lehrerinnen und Lehrern der größte Dank für das unermessliche Engagement, den Einsatz und die Geduld in dieser Krise. Denn: Lehrkräfte sind viel mehr als reine Wissensvermittler. Sie sind Partner!

Wie ist die Ausgangssituation?

Es gibt keine einheitlichen Krisenkonzepte für Schulen, weder auf Ebene des Bundes, der Länder noch der Städte und Gemeinden und häufig auch nicht auf Schulebene.

Welche Erwartungen haben SchülerInnen?

SchülerInnen brauchen Orientierung, Anerkennung, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Bei älteren SchülerInnen werden diese Erwartungen durch den kritischen Blick auf den eng gesteckten Lehrplan sowie Prüfungen ergänzt.

Welche Erwartungen haben Eltern?

Eltern stehen bezüglich anzustrebender Abschlüsse und Versetzungen ebenfalls unter einem hohen Druck. Eltern fordern Orientierung und Informationen. Zu bedenken ist: Eltern ersetzen keine Lehrkräfte!

Welche Erwartungen haben Lehrkräfte?

LehrerInnen sind verantwortlich für die Erreichung von gesteckten Lehr-/Lernzielen. Dabei stehen sie im Spannungsfeld von schulischen Vorgaben, Eltern und natürlich SchülerInnen.

Erwartungen an Eltern: Eine enge Kommunikation sowie Kooperation und Hilfsbereitschaft sind unabdingbar in besonderen Zeiten. Darunter fällt auch ein Maß an Rücksicht darauf, dass nicht alles auf Anhieb in Perfektion klappt.

Erwartungen an SchülerInnen: Mehr noch als in regulären Schulzeiten ist eine intrinsische Motivation und Verlässlichkeit von Nöten.

Erwartungen an Schulleitungen: Klare Anweisungen, Abläufe und Informationsbasen erleichtern es, ein Krisenmanagement auf operationaler Ebene umzusetzen.

Erwartungen an zuständige Behören: Kommunikation und unterrichtliche Planung basieren auf einem fundierten und zeitnahen Informationsfluß. Im Bestfall in bundesweit einheitlicher Form.

Keine Selbstverständlichkeit

Es wird deutlich, dass ein Grundkonzept der schulfernen Beschulung von SchülerInnen mit modernen Kommunikationstechniken einhergeht. Das klappt nicht immer.

Verfügbarkeit PC für SchülerInnen

PC sind in Haushalten weit verbreitet. 92 % der privaten Haushalte verfügen über mindestens einen PC, was sich auf die Verteilung, Bearbeitung und dem Versenden von Ergebnissen positiv auswirkt (Quelle: https://de.statista.com/). Zu bedenken ist aber, dass längst nicht allen SchülerInnen ein PC dauerhaft für die Arbeit zu Hause zur Verfügung steht (Homeoffice der Eltern, mehrere Geschwister etc).

Verfügbarkeit Smartphone für SchülerInnen

Ab einem bestimmten Alter ist das Smartphone für viele SchülerInnen verfügbar. Zu beachten ist, dass den Möglichkeiten der Bearbeitung von tradierten Medien mit dem Smartphone starke Grenzen gesetzt sind. Daher bilden alternative Ergebnissicherungen wie Fotos, Videos, Tonfiles etc. Alternativen, die in die didaktisch-methodischen Überlegungen einfließen können.

Eltern sind keine Hilfslehrer!

Unterricht für SchülerInnen in einem außerschulischen Umfeld kann nicht durch das Übertragen von Lehrtätigkeiten auf Eltern funktionieren. Viele arbeiten im Homeoffice und stehen für solche Tätigkeiten nicht zur Verfügung bzw. sind je nach Schulform schlichtweg überfordert. Schulen sollten keinesfalls auf diese Art der Unterstützung setzen, wohl aber auf eine organisatorische Hilfestellung und verstärkte Kontrolle der geforderten Aufgabenbearbeitung.

Nicht zu unterschätzende Leistungslücken

In nicht allen Familien werden SchülerInnen gleichmäßig stark unterstützt. Insbesondere dann, wenn Eltern in ein didaktisch-methodisches Konzept eingebunden werden, ist dies zu beachten. Viele SchülerInnen werden mit ihren schulischen Herausforderungen von den Eltern gänzlich alleine gelassen. Spätestens nach der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts können sich aufgrund dessen bedrohliche Leistungsunterschiede bemerkbar machen.

Kommunikation in der Krise

Transparente Kommunikation und klare Informationen sind ein Erfolgskriterium, um Krisen zu managen.

One-to-many Kommunikation

Die Zeiten, in denen eine Homepage das Werk von Experten war, sind lange vorbei. Heute ist mit wenigen Klicks eine Website erstellt. Dort können grundlegende Informationen und Kontaktwege effizient dargestellt werden.

One-to-one Kommunikation in Abwesenheit

2019 hatten 86% aller Menschen zwischen 16-74 Jahren in Deutschland einen E-Mail Account. Demnach ist es das Mittel für eine direkte Kommunikation zwischen Schule, Eltern und SchülerInnen.  (Quelle: https://de.statista.com/)

One-to-one Kommunikation in Anwesenheit

Viele Eltern sind besorgt und das ist auch verständlich. Dabei können Sorgen häufig in einem Gespräch entkräftet werden. Damit das Telefon nicht rund um die Uhr klingelt, bietet sich eine definierte Sprechstunde an. In Krisenzeiten könnte eine kostenfreie SIM-Karte für solche Anlässe die richtige Wahl sein, um die private Rufnummer nicht Preis zu geben.

Synchronisierte Kommunikationsprozesse

Auch Schulen sind gut beraten, Dienstleister für Kunden zu sein. Das bedeutet auch, sich in die Situation des Kunden (Eltern und SchülerInnen) hineinzuversetzen und Lehr-/Lern- sowie Informationsprozesse innerhalb der Lehrerschaft zu synchronisieren.

Worst Practice: Eine Mutter erhält Informationen von 6 LehrerInnen auf 6 unterschiedlichen Kommunikationsmedien zu 6 unterschiedlichen Zeitpunkten – und das für jedes Kind in der Familie.

Best Practice: Alle LehrerInnen einigen sich verbindlich auf eine Kommunikationsebene mit Eltern und SchülerInnen.

Datenschutzrechtliche no-gos

Auch in Krisenzeiten sind Schulen angehalten, sich nach gängigen Vorgaben zu richten. So sind Facebook, Instagram und Apps, wie Facebook-Messenger, WhatsApp und Co. datenschutzrechtlich an Schulen nicht zulässig. Zudem sind sie vom Handling für diese Art der Kommunikation unpraktisch und erreichen zu wenig Eltern und SchülerInnen.

Unterrichtsprozesse optimiert gestalten

Wichtig bei langfristig angelegtem Unterricht in Absenz sind der
Situation angepasste Arbeitsaufträge. Das schafft Spielraum und erleichtert den Unterricht in Abwesenheit. 

Anforderung: Orientierung

In Zeiten, in den die Lehrkraft nur mittelbar für Fragen der SchülerInnen zur Verfügung steht, ist es umso wichtiger, von vornherein so umfassend wie möglich zu informieren: Notengebung, Berücksichtigung von verspäteten Leistungsabgaben, Umfang der Bearbeitung, Umgangsformen bei digitaler Kommunikation, Benennung von Dateien, Probleme bei der Teamarbeit, Verhalten bei technischen Problemen etc.

Worst Practice: „Bearbeiten Sie das geschickte Arbeitsblatt bis nächste Woche.“

Best Practice: „Abgabe des bearbeiteten Arbeitsblatts über Mail bis kommenden Montag, 10:00 Uhr. Das Ergebnis Ihrer Arbeit geht in die Benotung ein. Bei Probleme mit der Bearbeitung melden Sie bitte rechtzeitig.“

Anforderung: Sinnhaftigkeit und Interaktionsformen

Die Krise zeigt, dass eilig hervorgezogene Unterrichts– und Aufgabenblätter gemäß des anstehenden Lehrplanes an SchülerInnen verteilt werden. Die Sinnhaftigkeit auf Machbarkeit, äußere Umstände und Interaktionformen ist dabei stets zu prüfen.

Worst Practice: „Finden Sie in Team zu Viert etwas zur Geschichte des Rathauses heraus. Lesen Sie dazu die Infotafel am Rathaus und befragen Sie Passanten.“

Best Practice: „Finden Sie etwas zur Geschichte des Rathauses heraus. Nutzen Sie dazu einschlägige digitale Quellen im Netz. Diskutieren Sie Ihre Ergebnisse zu Viert in virtuellen Teamraum und fassen Sie diese in einer Präsentation zusammen.“

Anforderung: Verbindlichkeit und Rückmeldung

Aufgaben zu stellen ohne deren Einhaltung zu überprüfen, schafft Unzufriedenheit bei SchülerInnen. Das gilt nicht nur im Präsenzunterricht, sondern viel mehr noch in der Absenz. Es sollten daher exakte und verbindliche Vereinbarungen festgelegt werden: Termin der Arbeitsauftragsvergabe, Abgabetermin, Termin der Rückmeldung etc.

Worst Practice: „Bitte lösen Sie die Aufgaben 4 und 7 des Arbeitsblattes 2.“

Best Practice: „Bitte lösen Sie die Aufgaben 4 und 7 des Arbeitsblattes bis kommenden Freitag, 14:00 Uhr. Einzureichen als Smartphone-Foto. Eine Rückmeldung steht Ihnen ab Montag 12:00 Uhr in Ihrer Lernplattform zur Verfügung.“

Anforderung: Persönliche Beziehung

Lehrkräfte sind feste Bezugspunkte im Leben von SchülerInnen. Daher sollten sie sich von Zeit zu Zeit über die digitalen Medien ihren SchülerInnen präsentieren. Dabei muss es nicht die Hightech-Videokonferenz sein.

Für Personen mit wenig Scheu bieten sich kurze Videos an, die über das Smartphone aufgenommen und in der Cloud mit individualisiertem Link zielgruppengenau gestreut werden können.

Wer nicht so gerne vor der Kamera steht, für den bietet sich vielleicht ein Podcast an. Letztendlich heißt es auch in der Krisenzeit Kontakt zu halten, Mut zu machen und den Erziehungsauftrag wahrzunehmen.

Jetzt handeln!

Nach der Zeit von COVID-19 einfach wie gewohnt weiter zu machen, wird nicht möglich sein. Das Virus und die damit ausgelöste Krise, muss als Auslöser verstanden werden, Bildungsprozesse neu zu gestalten.

Genau jetzt ist die Zeit, den Diskurs in Ihrer Bildungseinrichtung zu initiieren. Befragen Sie Kolleginnen, Ihre Schulleitung, die Eltern und nicht zu letzt Ihre SchülerInnen, was in Zeiten von Corona gut funktioniert hat, und wo es Verbesserungspotential gibt.

Jetzt auf zukünftige Herausforderungen von Schule reagieren, jetzt diese Idee DSGVO-konform teilen, jetzt aus den jüngsten Erfahrungen lernen.

 

Vorbereitet sein

Eine Krise wie COVID-19 ‒ hier sind sich wohl alle einig ‒ hat niemand vor Augen gehabt.

Es zeigt sich in den Medien und in der Öffentlichkeit, dass Schulen mal besser, mal schlechter mit dieser plötzlich eingetretenen Situation zurecht kommen.

Prozesse im Bildungssystem

Die Tatsache, ob digitale Lernsysteme im schulischen Kontext eingesetzt sind, spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle. Vielmehr offenbart sich, ob Schulen bereits standardisierte, etablierte und sinnhaft orchestrierte Abläufe im Bereich Verwaltung und Lehre haben.

Schulen, die sich bereits im Vorfeld mit einem schulinternen Prozessmanagement auseinander gesetzt haben, genießen dabei einen erheblichen Vorteil.

Lesson learned

Sich um Informationen, Abläufe und Prozesse im Krisenfall zu kümmern, kostet viel Kraft und Energie. Daher ist es sinnvoll, sich vorher um Prozessabläufe im Bereich der Unterstützungs- und Kernprozesse Gedanken zu machen. Ad-hoc-Abläufe als Reaktion auf Unerwartetes kann immer nur eine Improvisation sein.

Die Qualität des Prozessmanagements bestimmt sich in Teilen durch die gleichen Parameter wie bei Unternehmen:

  • Erfassung von Verwaltungs- und Lehr-/Lernprozessen
     
  • Kritische Betrachtung und Optimierung von Prozessen
     
  • Innerschulische Veröffentlichung von Prozessen als Vorgabe und Orientierung

Best Practice für die Zeit nach COVID-19

Welche Maßnahmen sind geeignet, um Digitalität zu fördern und Prozesse zu optimieren?

  • Systeme wie IServ®, StudIP® oder Moodle® unterstützen Lehr-/Lernprozesse. Diese bieten sowohl die Kommunikation zwischen TeilnehmerInnen als auch den Prozess der Aufgabenverteilung, -abgabe und Bewertung als Basisfunktionalität an. Darüber hinaus fördern sie das kooperative Arbeiten.
     
  • Zur Darstellung von Prozessen gibt es unterschiedliche Methoden. Von der Aufgabenliste über Tabellen bis hin zu grafischen Notationen. Die Erfassung, Ausgestaltung und Optimierung müssen als nachhaltiges Invest in die Zukunft verstanden werden. Zudem ist es bereits jetzt eine Forderung einiger Kultusministerien der Länder.
     
  • Die Modellierung und Veröffentlichung von Prozessabläufen als einheitliche Wissensbasis ist dank Softwareunterstützung ein leichtes. Die Software ARIS® aus dem Haus der Software AG, bietet die Möglichkeit, effizient Prozesse im Team zu erfassen, zu verwalten, aktuell zu halten und mit einem Klick zu veröffentlichen.

Prozessmanagement klingt kompliziert? Mit den richtigen Tools und einem fundierten Coaching ist es das nicht – wir helfen Ihnen!.

Free Downloads

Sie wollen mehr zum Thema Prozessmanagement im schulischen Umfeld wissen? Unter https://schulprozesse.de/prozessmanagement halten wir Aufsätze und Bücher im freien Download für Sie bereit.


Autor

Knut Harms ist Berufsschullehrer, Dozent, Prozesscoach, Autor und Verleger. Er betreut das bundesweite Projekt ARIS@school.

Als Mitglied der Expertengruppe „Prozessmanagement“ hat er mitgewirkt, den Status Quo der standardisierten Abläufe in der Schulverwaltung festzuhalten und zu beschreiben.

Bildungsprozesse krisenoptimiert gestalten: Tipps, Tricks und Checklisten
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